Als ich 1988 zum Studieren nach Hamburg kam, hatte ich nicht viel Geld. Ein Fahhrad war ein sehr wertvolles Gut, das wichtigste Fortbewegungsmittel für mich. Doch für viele Menschen schienen die Drahtesel wertlos zu sein. In den Straßen Eimsbüttels rund um unser Studentenwohnheim gabe es Hunderte von Rädern angeschlossen an Laternenpfähle, Absperrbügel oder Zäune, ihrem Schicksal überlassen vor sich hin rostend. Offensichtlich nicht gestohlen und einfach abgestellt, und nicht etwa nur unbrauchbare Schrotthaufen. Ich erinnere mich, dass einige von uns mal die Initiative ergiffen und verlassene Räder eingesammelt hatten, um sie wieder flott zu machen. Wir wurden von der Polizei angehalten und ermahnt. Das Einsammeln offensichtlich herrenloser Wracks gilt als Diebstahl, wir mussten es lassen.

Über dreißig Jahre später wohne ich wieder in Eimsbüttel, und was die Fahrräder angeht hat sich nichts geändert. Ich kann es immer noch nicht verstehen. Jeden Tag komme ich an Rädern unterschiedlichen Verfallsgrades vorbei, manche beobachte ich über Jahre. Ab und an klebt die Stadt einen Zettel daran, dass das Rad demnächst entsorgt werde, wenn die Besitzer sich nicht kümmerten und es wegnähmen. Die Zettel vergammeln in den meisten Fällen einfach mit.

Mich fasziniert, wie die Materialien und Farben sich verändern, wie die Pflanzen die Zweiradleichen überwuchern. Und so habe ich beschlossen, die besondere Ästhätik des Verfalls mit der Kamera zu erfassen. Nicht im Sinne einer Dokumentation, sondern speziell mit einem Blick auf Formen, Farben und Texturen des Niedergangs dieser doch so nützlichen Geräte.

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